Mit Beginn des Ersten Weltkrieges wurden in Deutschland die aus Edelmetall geprägten Münzen dem Verkehr entzogen. Insbesondere auch durch steigende Preise wurde der Bedarf an Kursgeld immer größer. Mit Mangel an Kleingeld begründet geben anfangs viele Städte und Gemeinden, später auch große und kleine Unternehmen, Händler und Kaufleute eine Unmenge von Notgeld heraus. Notgeld war nach den Briefmarken das begehrteste Sammelobjekt der Nachkriegszeit. Der Höhepunkt der Notgeldemissionen war in Deutschland von 1918 - 1923.
Viele Orte gaben Notgeld heraus, das auf der einen Seite noch das Aussehen von normalen Geldscheinen hatte. Die Rückseite wurde jedoch beispielsweise mit Ortsansichten, regionalen Sagen oder Geschichten bedruckt. Die Beliebtheit des Notgeldes bei den Sammlern ist also kein Wunder. In der Nachkriegszeit wurden in Deutschland etwa 70.000 bis 80.000 verschiedene Notgeldscheine herausgegeben, 7 davon in Lübz in drei verschiedenen Serien: der Notgeldschein, das Reutergeld, die Stadtansichten.

Der Notgeldschein

Notgeld Lübz 50 Pf Ein einzelner Schein, ohne aufgedruckte Motive, zu einem Wert von "Fünfzig Pfennig" machte den Anfang. Im Mai 1919 wurde dessen Herstellung beschlossen. Scheine im Werte von ca. 10.000 M wurden in Umlauf gebracht. Der Schein hatte keinen Datumsaufdruck und stattdessen den Text: "Die Frist, innerhalb welcher das Notgeld zur Einlösung bei der Sparkasse der Stadt Lübz vorzulegen ist, wird durch den "Mecklenburger Bote" bekannt gemacht, Der Magistrat". Der Schein hat ein Wasserzeichen (Wellenbündel) und erschien in Varianten mit blaugrünem bzw. grünem Unterdruck. Ein späterer Neudruck ohne Wasserzeichen hatte einen blaßgraugrünen Unterdruck (Auflage vermutlich 7.500 Stück).


Das Reutergeld

Reutergeld Lübz 10 Pf Der Prokurist Max Reinhold Wulst aus Schwerin hatte die Idee, zu Ehren von Fritz Reuter eine Notgeldserie zu emittieren. Seinem Aufruf folgten 70 Städte und Gemeinden Mecklenburgs von Alt-Gaarz (heute Rerik) bis Zarrentin. Fünf mecklenburgische Künstler (E. Bentrup, E. Koenemann, G. Schütz, E. Tschirch, R. Zscheked) entwarfen in Format und Layout einheitliche Scheine jeweils zu 10, 25 und 50 Pfennig. Die Vorderseiten zeigen Städtebilder oder regionale bzw. historische Motive. Auf den Rückseiten sind Zitate aus den Werken Reuters abgebildet. Den Druck der Scheine übernahm die Bärensprung'sche Hofdruckerei in Schwerin, den Vertrieb hatte die Reutergesellschaft unter Reinhold Wust übernommen. Von der Auflage von je 50.000 Scheinen sollten nur 3% in den Umlauf gebracht werden, die restlichen 97% an Sammler verkauft werden. Die Auslieferung der Scheine erfolgte erst nach Ablauf der Geltungsdauer, dem 31.5.1922.


Reutergeld Lübz 25 Pf Die Lübzer Scheine wurden von Richard Zscheked, Kunstgewerbler, Maler und Illustrator aus Schwerin, entworfen. Insgesamt gestaltete er die Scheine von zwölf Orten, meist an der westlichen Grenze Mecklenburgs gelegen. Zscheked wurde am 6.12.1885 in Weinböhla bei Dresden als zehntes Kind des Weinbergbesitzers Johann Gotthelf Zscheked geboren. Die Schule und eine Berufausbildung zum Weber absolvierte er in Meißen und Zittau. Verschiedene künstlerische Ausbildungen hatte er in Zittau, Dresden und Weimar. In Weimar lernte er auch seine spätere Frau, die Malerin Gertrud Voss (1886 - 1970) kennen. 1918 lassen sich beide in Schwerin nieder. Zscheked stirbt 1954.

Der 10 Pfennig Schein zeigt auf der Vorderseite Hopfenranken und Kornähren vor einem Planwagen, rechts im Hintergrund ist die Brauerei dargestellt. Links oben ist der Schein mit RICHARD ZSCHEKED signiert. Die Rückseite zeigt Schnitter mit Sensen auf der Schulter, einen Hahn auf dem Gartenpfahl und ein Strohdach mit Storchennest. Die Signatur ist unauffällig versteckt: An der linken "10" ein "R", an der rechten "10" ein "Z". Das Zitat Reuters auf dem Schein: "Gewisse Leute meinen woll, sie sein klug beraten, Doch heut in meinem Beutel soll noch klingen ihr Dukaten" (Läuschen un Rimels, 1. Folge, Kapitel 41, De goldne Hiring).

Reutergeld Lübz 50 Pf Auf allen Lübzer Scheinen ist folgender Text geschrieben: "Dieser Schein hat Gültigkeit für den Geldverkehr innerhalb der Stadtgemeinde bis 31. Mai 1922 - Rat der Stadt Lübz" und die zwei Unterschriften "Westphal" und "Regeling".

Der 25 Pfennig Schein zeigt auf der Vorderseite die Lübzer Kirche und Dächer anliegender Häuser. Die Signatur ist identisch zu der auf dem 10 Pf Schein. Die Rückseite zeigt die Silhouetten zweier Schmiede und das Reuter Zitat: "Gewisse Leute möchten gern die Nahrung uns berauben" (ebenda).

Der 50 Pfennig Schein zeigt auf der Vorderseite den Amtsturm der ehemaligen Eldenburg und ein Ecke des Amtshauses. Die Rückseite zeigt das Lübzer Wappen in einem Blütenbaum. Beachtenswert ist, daß die Halskrause des Ochsen korrekt sieben Fransen hat. Und das Reuter Zitat: "Hürt, mine Herrn un Damen! In Meckelborg, dor liggt 'ne Stadt, Un Lübz heit sei mit Namen: Dat is en lüttes, narrsches Nest, Un is all ümmerher so west, So lang' ick kann man denken" (ebenda).


Die Stadtansichten

Notgeld Lübz 25 Pf Die dritte Notgeldserie umfaßte drei Scheine mit Werten von 25, 50 und 75 Pfennig. Im Jahre 1922 waren von jedem Schein gut 5.000 Stück im Umlauf. Während die beiden kleineren Scheine einen ähnlichen Stil zeigen, weicht der 75 Pf Schein in Details ab:

Der 25 Pfennig Schein zeigt auf der Vorderseite das Wappen, fälschlicherweise mit nur sechs Fransen an der Halskrause und den Text: "Notgeld der Stadt Lübz - Gültig bis 31. Dez. 1923 - Der Rat:" und zwei Unterschriften: "Westphal" und "Ehmcke". Die Rückseite zeigt den Amtsturm und den Text: "Der alte Turm der Eldenburg".


Notgeld Lübz 50 Pf Der 50 Pfennig Schein hat eine zum 25 Pf Schein im Wesentlichen identische Vorderseite. Die Rückseite zeigt einen Ausrufer oder Gendarmen mit umgeschnalltem Säbel auf dem Markt. Er verliest ein Dokument, das er in der linken Hand hält. In der rechten Hand hält er eine Glocke. Der Text könnte die Bildunterschrift sein: "Hiermit ward bekannt makt, dat disse Schien an'n 31. Dez. 1923 sien Gültigkeit verliert."

Der 75 Pfennig Schein zeigt auf der Vorderseite den üblichen Text, allerdings hat anstelle von "Ehmcke" "Regeling" unterzeichnet. Auch ist das Wappen anders gestaltet. Ein Bild zeigt die Kirche mit angrenzenden Häusern. Auf der Rückseite ist das Gedicht "Heimat" von Paul Warncke (geb. 13.5.1866 Lübz, gest. 25.4.1933 Neubabelsberg bei Berlin) abgedruckt, zusammen mit dem Konterfei des Dichters:


Notgeld Lübz 75 Pf

Den stillen Weg, den geh' ich ja so gerne
Am Wiesengrund entlang,
Und um mich schwebt gleich wie aus weiter Ferne
Ein heimlich holder Klang.
Hier ragen keine Berge in die Lüfte,
Flach liegt das grüne Land;
Nicht selt'ne Blumen geben tiefe Düfte,
Geweckt vom Sonnenbrand.
Vor mit die liebe kleine Stadt, wie traulich
Der Kirchturm stumpf und klein;
Und doch - mir schien der Dom nicht so erbaulich
zu Köln am Rhein.
Ein dunkler Wald am fernen Horizonte,
Rauh stürmt, ganz rauh der Wind.
Ich aber weiß, was mir das Herz durchsonnte:
Hier war ich Kind!

 
Gewissermaßen als Zusammenfassung des Gedichtes noch der Satz: "Der ist in tiefster Seele treu, der die Heimat liebt wie du!".

Literatur